Newsarchiv

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Epidemiologische Daten von Teilnehmern des real,- BERLIN-MARATHON

Sportmedizinischer Service (SMS), die Humboldt-Universität zu Berlin, Abt.

Sportmedizin, Berliner Akademie für Sportmedizin (BAS) in Kooperation mit

dem real,- BERLIN-MARATHON und SCC-RUNNING.


Dr. med. Lars Brechtel

Abt. Sportmedizin

Humboldt-Universität zu Berlin

Die Beteiligung an sportlichen Massenveranstaltungen ist ein zunehmendes

Phänomen. So stiegen beispielsweise die Teilnehmerzahlen am

BERLIN-MARATHON in der letzten Dekade exponential auf nunmehr über 41.000

Läufer, Walker und Skater an. Diese wachsende „Laufbewegung“

verbindet die körperliche Aktivität oftmals ungeprüft mit einem

gesundheitlichen Benefit. Die jährlich weit über 100.000 Teilnehmer

an Berliner Laufveranstaltungen stellen eine logistische Herausforderung an die

medizinische Versorgung sowie an die prophylaktische Aufklärung

bezüglich gesundheitlicher Risiken und deren Vermeidung dar. Erforderlich

hierfür ist ein fundiertes epidemiologisches Wissen über den

Gesundheitsstatus von Marathonläufern in Deutschland als auch eine

Registrierung der Beschwerden während des Laufes. Deshalb wurden im Jahr

2001 in einem Pre-Test 1.540 Teilnehmer des 28. real,- BERLIN-MARATHON für

einen Gesundheitsfragebogen rekrutiert. Hiervon waren 79,2 % Männer und

20.8 % Frauen im mittleren Alter von 40,2 +-10,2 Jahre.

Sportliche Daten: Die Befragten trainierten im Mittel 3,9

+-1,4 / Woche mit einem Trainingsumfang von 5,8 +-4,4 h/ Woche entsprechend

54,4 +-42,2 km/ Woche. 71,1% der Läufer absolvierten 28,1 +-29,3 % des

Trainingsumfanges im höheren Intensitätsbereich

(Trainingsherzfrequenz > 180 – Lebensalter). Nur 43,4 % der Sportler

führten regenerative Trainingseinheiten durch. Ca. 2/3 der Befragten gaben

regelmäßige Dehnungsübungen an, ca. je 1/3 Übungen zur

Rumpfstabilisierung bzw. Krafttraining an. 42,6 % betreiben ein

herzfrequenzgesteuertes Training, obwohl nur ca. 3 % der Läufer

individuelle leistungsphysiologische Meßgrößen benennen

können.

Überbelastung und Übertraining: 38,2 % der

Befragten gaben an, in der Vergangenheit über wenige Tage bis hin zu

mehreren Monaten an typischen Beschwerden eines

„Übertrainings“ (-syndroms) gelitten zu haben. Ursächlich

werden hohe Trainingsumfänge und / oder –intensitäten genannt,

gefolgt von Regenerations-/ Schlafmangel, beruflichem und psychosozialem

Streß sowie Ernährungsdefiziten. Objektiv ergaben sich jedoch keine

Zusammenhänge zwischen der Trainingsgestaltung sowie der Schlafdauer.

Gesundheits-Survey: Die Sportler wiesen mit 2,6 +-9,4

Arbeitsunfähigkeitstagen eine leicht unterdurchschnittliche

Arbeitsunfähigkeit auf. Regelmäßige Arztbesuche gaben 57 % der

Befragten mit 3,8 Konsultationen / Jahr aufgrund von Routineuntersuchungen

(72,2 %), wegen Beschwerden (31,2 %), Labor- (22,9 %) und

leistungsdiagnostischer Untersuchungen (11,9 %) an. 2,2 % weisen aktuell eine

kardiale Erkrankung auf, weitere 2 % gaben dies für die Vergangenheit an.

Hierbei überwiegen nicht näher spezifizierte Rhythmusstörungen

und Vitien der Klappen, jedoch wurden auch Myokarditiden, KHK, QT- und

WPW-Syndrom sowie Aortenstenosen verzeichnet. Nur bei 61,5 % der Befragten

wurde jemals ein Belastungs-EKG durchgeführt, wobei nur 24,4 % ein

Belastungs-EKG aus den letzten 12 Monaten nachweisen konnten. 9 % der

Läufer sind der Gruppe der Hypertoniker zuzuordnen, wobei nur 58,1 %

überhaupt über die eigenen Blutdruckwerte informiert sind. Unter den

Untersuchten wurden 5 Diabetiker, davon 2 Insulinpflichtige Patienten

registriert. 5,5 % weisen eine chronische Atemwegserkrankung auf. Ein

Belastungs-Asthma bestand jedoch nur in 2,0 % der Fälle. Bei je 1,2 %

wurde eine Hyperurikämie sowie eine Erkrankung des rheumatischen

Formenkreises verzeichnet. 1,8 % gaben ein Malignom mit unterschiedlich langem

Abstand zum Therapieende an. Allergien wurden bei 40,9 % registriert, wobei

sich nur 16,2 % in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt

fühlten.

Aktueller Marathonlauf: Die Befragten legten die

Marathonstrecke in 3:57 +- 0:38 h zurück, wobei 14,6 % erstmalig die

Marathondistanz bewältigten. Nur 1,2 der beantworteten Fragebögen

wiesen eine Aufgabe des Rennens auf (nach ca. 25 km). 13,3 % begaben sich in

physiotherapeutische, 1,9 % in ärztliche Behandlung. Die

Flüssigkeitszufuhr war bei 61 % defizitär. Ca. 5 % gaben an, ohne

Flüssigkeitszufuhr gelaufen zu sein. Diejenigen Läufer, welche den

Lauf aufgeben mussten, wiesen mit 1,3 +- 1,0 vs. 1,8 +- 1,1 Liter eine

signifikant niedrigere Flüssigkeitszufuhr auf (p < 0,05). Sportler mit

einer ausreichenden Flüssigkeitsaufnahme waren im Mittel 30 Minuten

schneller. Von 54,5 % wurden während des Laufes 1.150 Beschwerden

geäußert, welche im Mittel nach 26,7 +-16,6 km auftraten. Sportler

mit Beschwerden wiesen eine um 5 Wochen kürzere Vorbereitungsphase auf,

wobei die Unterschiede jedoch nicht signifikant waren. Ein Einfluß der

Flüssigkeitsaufnahme auf die Beschwerdefrequenz bzw. der Zeitpunkt des

Auftretens konnte nicht nachgewiesen werden. Dominierend waren muskuloskeletale

Beschwerden, welche vorwiegend im Knie- und Oberschenkelbereich lokalisiert

waren. 7 Läufer starteten mit einem akuten Infekt. 10 Sportler

äußerten Symptome, welche den Verdacht auf eine kardiale Genese

lenken.

Fazit: Die untersuchten Marathonläufer weisen ein

nicht ausreichendes Problembewusstsein bezüglich ihrer gesundheitlichen

Gefährdung auf. Beschwerden, welche eine kardiale Genese haben

können, werden ignoriert. Somit ist ein niedrig-schwelliges Screening als

auch eine Aufklärung im Ausdauersport zu fordern. Diese können mit

leistungsphysiologischen Untersuchungen gekoppelt werden, um die häufigen

und zum Teil chronifizierten Überforderungszustände zu vermeiden.