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Macht Marathonlauf resistent gegen Stress ?

Sport führt zu vielen positiven Veränderungen im menschlichen Herz-Kreislauf-System und im Hormonsystem. Ein wesentliches Hormonsystem ist das der Stresshormone (Glucocorticoide). Der Name der Glucocorticoide ist darauf zurückzuführen, dass sie einen wesentlichen Anteil an der Steuerung des Blutzuckers (Glucose) besitzen und zum andern in der Rinde der Nebenniere (Cortex suprarenalis) hergestellt werden.

Die Steuerung der des wichtigsten Glucocorticoid, dem Cortisol, erfolgt über eine Art Regelkreis (siehe Abbildung1). Der Hypothalamus (Hirnregion) wird z.B. bei Stress oder körperlicher Belastung aktiviert und schüttet daraufhin ein Hormon namens CRH (Corticotropin-Releasing-Hormon) aus. Dieses regt in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) die Produktion eines Hormons namens ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) an, welches dann wiederum in den Nebennieren die Produktion und Ausschüttung von Cortisol bewirkt. Damit dies nicht ins Unendliche weiter geschieht, führen höhere Cortisol- und ACTH-Spiegel zu einer verminderten CRH Ausschüttung, so dass sich das ganze System einpendeln kann.

Der Körper kann sich an eine Belastung anpassen

Dieses System kann so in wenigen Minuten bewirken, dass vermehrt Cortisol im Blut vorhanden ist und sich so der Körper an eine Belastung anpassen kann. Cortisol führt neben einer vermehrten Bereitstellung von Blutzucker zu Energiegewinnung insgesamt zu einer eher abbauenden Stoffwechselsituation, d.h. dass die Energiereserven des Körpers abgebaut werden, weil durch die Belastung anscheinend Energie benötigt wird. Neben diesen vielen Eigenschaften im Stoffwechsel, spielt Cortisol aber auch eine wesentliche Rolle im Immunsystem des menschlichen Körpers oder auch bei der Bekämpfung von Entzündungen (Welcher Läufer hat nicht schon mal eine Cortisonspritze ins Knie oder die Achillessehne  bekommen?).

Innere Uhr

Neben der Beeinflussung der Cortisolproduktion durch Stress oder Belastung unterliegt das System vor allem noch der so genannten inneren Uhr. Dabei kommt es in den Morgenstunden zu einer vermehrten Ausschüttung von Cortisol (was sehr sinnvoll ist, da der Körper ja morgens aktiviert werden muss, um aus den Federn zu kommen) und zu einem geringeren Anstieg auch noch einmal am Nachmittag.

Kommt es zu einer krankhaft vermehrten Produktion oder auch Einnahme von Cortisol bzw. Cortison entsteht ein so genanntes Cushing-Syndrom. Dieses ist u.a. gekennzeichnet durch Übergewicht, Schwäche, Depression, Bluthochdruck, Blutzuckerkrankheit (Diabetes), Knochenabbau, Schlafstörungen, Libidoverlust oder Hautveränderungen.

Im Gegensatz dazu, kann es auch zu einer krankhaften Verminderung der Cortisolproduktion kommen. Hier spricht man von einer so genannten Addisonsymptomatik. Diese zeichnet sich u.a. durch Übelkeit, Gewichtsverlust, Bräunung der Haut, Schwäche oder niedrigem Blutdruck aus.

Hormonverlauf beim Marathontraining

In einer Studie, die in der Charité – CBF und in der Sportmedizin der Humboldt Universität zu Berlin durchgeführt wurde, sind beim real,- BERLIN-MARATHON 8 Frauen und 11 Männer hinsichtlich ihres Hormonverlaufs beim Marathontraining untersucht worden.

Dazu fanden an 5 Zeitpunkten Untersuchungen statt. Die erste fand 6 Wochen vor dem Marathon statt, die zweite 10 Tage vor dem Marathon, die dritte 2 Tage nach dem Marathon, die vierte 10 Tage nach dem Marathon und die letzte 6 Wochen nach dem Marathon. Die Zeitpunkte waren so gewählt, dass zum einen die Untersuchungen vor dem Marathon in einer Phase mit einem hohen Trainingsumfang und nach dem Marathon in einer Phase mit niedrigem Trainingsumfang stattfanden. Die Untersuchung 2 Tage nach dem Marathon sollte die mittelfristigen Effekte eines Marathonlaufes messen.

Sehr überraschend

Die Ergebnisse waren sehr überraschend. Cortisol und ACTH zeigten keinen Unterschied zwischen den Phasen der hohen und der niedrigen Trainingsbelastung vor bzw. nach dem Marathon. Dafür zeigte es sich, dass es zu einem starken Abfall der Hormone 2 Tage nach dem Marathon kam. Dies ist am ehesten dadurch zu erklären, dass es durch den großen körperlichen Stress des Marathons zunächst zu einem sehr starken Anstieg des ACTH und des Cortisol kommt und es dadurch zu einer Art Erschöpfung des Cortisol-Systems kommt, so dass die Hormone in den Tagen nach dem Marathon nur vermindert produziert werden können.

Neben der Steuerung der Cortisolproduktion durch das ACTH wurde in der Studie auch der Abbau des Cortisols gemessen. Dazu mussten die Probanden über einen Zeitraum von 24 Stunden Urin sammeln. Im Urin wurden dann die Abbauprodukte des Cortisols gemessen. Hier konnte erstmalig festgestellt werden, dass der menschliche Körper versucht, die erniedrigten Cortisolspiegel nach dem Marathonlauf durch einen verminderten Abbau des Cortisols zu kompensieren.

Neben den Cortisol- und ACTH-Spiegeln im Blut wurde zu den oben genannten Zeitpunkten auch untersucht, inwiefern die Cortisolproduktion durch das Training beeinträchtigt wurde. Dazu wurde die körpereigene Cortisolproduktion durch die Einnahme eines künstlichen Cortisolmedikamentes gehemmt. Durch die Stärke der Hemmung kann man Rückschlüsse ziehen, inwiefern der Organismus durch das Training resistent gegen „Stress“ geworden ist.

Es zeigte sich, dass es in den Phasen der höheren Trainingsbelastung tendenziell zu einer verminderten Hemmung der körpereigenen Cortisolproduktion kam. Dies spricht dafür, dass während hoher Trainingsbelastung eine gewisse Resistenz gegenüber einer weiteren Stressbelastung besteht bzw. der Körper evtl. einer verstärkten Cortisolwirkung ausgesetzt ist. Die gemessenen Werte sind jedoch nicht in einem krankhaften Bereich gewesen, wie man sie bei einem oben beschrieben Cushing-Syndrom erwarten würde.

Marathontraining macht resistent gegen weiteren Streß

Man kann also sagen, dass das Marathontraining resistent gegen weiteren Streß oder eine weitere Belastung macht. Eine Aussage darüber, ob dies nun ein Vorteil oder ein Nachteil ist, kann man allerdings noch nicht treffen. Dazu Bedarf es noch weiterer Forschung über einen längeren Zeitraum.

Neben dem Cortisolspiegel wurden noch weitere Hormone untersucht, die ebenfalls wie das Cortisol durch den Hypothalamus bzw. die Hirnanhangsdrüse gesteuert werden. Es zeigten sich keine wesentlichen Veränderungen bei den Schilddrüsenhormonen und auch nicht beim Wachstumshormon. Es konnte jedoch beobachtet werden, dass es bei den Männern zu verminderten Testosteronspiegeln während der Zeit der hohen Trainingsbelastung vor dem Marathon kam. Dieser Effekt war bekannt und konnte in dieser Studie erneut bestätigt werden.

Keine krankhafte Wirkung

Die erniedrigten Testosteronspiegel scheinen dabei keine krankhafte Wirkung zu zeigen, wie man es normalerweise erwarten würde (z. B. Libidoverlust, Knochenabbau).

Zusammenfassend konnte ein veränderter Cortisolstoffwechsel beobachtet werden. Die Veränderungen führten jedoch noch nicht zu körperlichen Beschwerden, wie sie zum Beispiel beim Übertrainingssyndrom auftreten können, welches häufiger im Hochleistungssport bzw. v.a. im Ausdauersport auftritt. Dieses ist charakterisiert durch einen Abfall der Leistungsfähigkeit trotz weitergeführtem oder sogar intensiviertem Training mit mehr oder weniger ausgeprägten Befindlichkeitsstörungen ohne organisch krankhaften Befund, der auch nach einer verlängerten Regenerationsphase noch nachweisbar ist.

Obwohl das Übertrainingssyndrom nach wie vor eine der gefürchtetsten Erkrankungen des Leistungssportlers darstellt, existiert jedoch bis heute kein etabliertes Diagnoseschema. Erste Daten scheinen jedoch zu zeigen, dass es wohl doch zu Veränderungen im Cortisolstoffwechsel kommt, die auch im Ansatz in der hier durchgeführten Studie nachweisbar waren.

Weitere Informationen bei Clinical Endocrinology  - oder Dr. Thomas Bobbert

Weitere Informationen zu der Studie finden Sie in der Fachzeitschrift Clinical Endocrinology bzw. auch bei:

Dr. Thomas  Bobbert, Poliklinik der Abteilung für Endokrinologie, Diabetes und Ernährungsmedizin der Charité – Campus Benjamin Franklin, Hindenburgdamm 30,

12200 Berlin, Telefon: 030/8445-2664.

Natürlich können Sie sich aber auch gerne bei Hormon- oder Stoffwechselstörungen, wie z.B. bei Verdacht auf ein Übertrainingssyndroms, in der Poliklinik melden.

Dr. Thomas Bobbert, junger Arzt in der Charité - Campus Benjamin Franklin - in der Abteilung von Prof. Pfeiffer, Abteilung für Endokrinologie, Diabetes und Ernährungsmedizin - hat schon eine lange Karriere beim BERLIN-MARATHON hinter sich.

Zunächst war er Zuschauer und Fan seines beim MARATHON mitlaufenden Vaters Bernd (JUBILEE-Mitglied) und stand jedes Jahr an den Yorckbrücken und klatschte, dann half er beim Souvenirstand des MARATHON und war tätig am Verpflegungsstand des Luise-Henriette-Gymnasiums (Tempelhof) und der Bäckerei-Konditorei Milde zunächst in der Thielallee, dann in der Potsdamer Straße, dann stieg er auf zum Ressortleiter bei den Siegerehrungen des MARATHON und des BERLIN-MARATHON Jubilee-Clubs. Jetzt gehört er zum Medical-Team des MARATHON.

Große sportliche Erfolge hatte er als Deutscher Jugendmeister über 800 m 1994 für den TSV Tempelhof-Mariendorf, er kam bis ins Halbfinale der Junioren - Weltmeisterschaft 1994 und wurde Deutscher Meister in der  4 x 800 m Staffel des SCC im Jahr 1996. Seine Bestzeit über 800 ist 1:48,73 - dann machte die Achillessehne nicht mehr mit. Als Schüler des Luise-Henriette-Gymnasiums (Tempelhof) war er auch mehrfach an den Siegen der Schule - zusammen mit Mark Milde - am MINI-MARATHON beteiligt. Sein Bruder Peter war im übrigen Tempomacher für Mizuki Noguchi auf den ersten zehn Kilometern in diesem Jahr.